Das Schicksal von Emma und Helene Terhoch 

Die letzte Lücke in der Erinnerung an die ehemals in Drensteinfurt lebenden und verschleppten Juden in Drensteinfurt ist geschlossen: Schülerinnen und Schüler der Kardinal-von-Galen-Grundschule und der Teamschule haben anlässlich der Verlegung der Stolpersteine am 16. Juni 2023 das Leben von Helene und Emma Terhoch mit ihren Worten nachgezeichnet.

(Fotos: Angelika Knöpker)

Bei der Gedenkfeier in der Synagoge erinnerten Kinder der Klasse 4c der Kardinal-von-Galen-Grundschule aus dem Leben von Emma Terhoch:

„Emma Terhoch wurde am 8.7.1901 geboren. Mit 6 Jahren wurde sie eingeschult und besuchte die katholische Volkshochschule.1915, also mit 14 Jahren, hat Emma die Schule verlassen. Dann begann Emma eine Ausbildung in Drensteinfurt zur Schneiderin. Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie in Münster auf der Salzstraße in einem Bekleidungsgeschäft. Dieses Geschäft zählte 1917 zu den führenden Geschäften in ganz Deutschland.

1930 machte Emma Terhoch sich mit einer Schneiderwerkstatt in Drensteinfurt selbstständig. Sie bekam viele Aufträge. Anfang 1939 durfte Emma Terhoch nicht mehr arbeiten, es wurde ihr verboten. 1938/1939 musste die Familie Terhoch ihren gesamten Besitz (das Elternhaus am Südwall 30) für wenig Geld verkaufen. 1940/41 zogen Emma und ihre Schwester in das Haus Südwall 22, doch auch dort mussten sie wieder ausziehen, da sie jüdisch waren. Anschließend zogen sie bei einer Familie am Südwall 4 ein, die Behausung war sehr schlimm und wurde mit einem Stall verglichen.
Emma versuchte Deutschland zu verlassen. Sie wollte mit ihrer Schwester nach Uruguay auswandern, die notwendigen Papiere waren beantragt. Leider schafften sie es nicht mehr rechtzeitig Deutschland zu verlassen.
Emma Terhoch wurde im Dezember 1941 in Drensteinfurt abgeholt und in das Konzentrationslager Stutthof (in der Nähe von Danzig) gebracht. Dort lernte sie ihren Mann Paul Simons kennen und heiratete ihn im Konzentrationslager. Am 3.Januar 1945 ist Emma Terhoch dort gestorben. Auch ihr Mann ist dort umgekommen.“

Manuskript der Klasse 4c, Kardinal-von-Galen-Grundschule Drensteinfurt

Carolin Ahlers von der Teamschule berichtete aus dem Leben von Helene Terhoch:

Guten Abend, liebe Damen und Herren,
wir sind Simon, Carolin und Klara. Wir kommen aus der Teamschule. Hiermit wollen wir Ihnen das Leben der jüdischen Frau namens Helene Terhoch vorstellen. Sie war die vierte Tochter von Moses Terhoch und einer dritten Frau und wurde am 13.11.1903 in Drensteinfurt geboren. Die Familie lebte am Südwall. Ihr Vater war von Beruf Metzger.
1910 kam sie in die Volksschule, aus der sie 1918 nach acht Pflichtschuljahren entlassen wurde. Das Leben war zu diesem Zeitpunkt schon nicht einfach, zum Beispiel waren Juden in traditionellen Vereinen nicht als Mitglieder erwünscht. Es gab jedoch auch Ausnahmen, z. B. nahm Helene Terhoch zusammen mit ihrer guten Freundin Anna Kulman 1933 an einem umfangreichen Kochkurs teil. Mit der Machtübernahme der Nazis verschlechterten sich die Lebensbedingungen immer mehr.
Mit der nationalsozialistischen Herrschaft begann auch in Drensteinfurt ab 1933 die Verfolgung der jüdischen Mitbürger, die im Reichspogrom von 1938 einen schrecklichen Höhepunkt fand. SA- und SS-Leute überfielen am 9. November fast alle jüdischen Familien in ihren Häusern, misshandelten sie schwer und trieben sie in die Synagoge, wo sie einen „Gottesdienst“ abzuhalten hatten. Das Innere der Synagoge wurde verwüstet. Die Thorarollen wurden geschändet, die Bänke und der Thoraschrein zerschlagen, die Kultgegenstände entwendet. Das Gebäude wurde jedoch wegen der dichten Umgebungsbebauung nicht angezündet.
Nach dem Pogrom wanderte 15 Mitglieder der Familie Terhoch nach Uruguay aus. Die in Drensteinfurt verbliebenen jüdischen Bürger waren einer zunehmenden Unterdrückung in allen Lebensbereichen ausgesetzt. 1939 musste S. Salomon in Vertretung der jüdischen Gemeinde das Gebäude an die Tochter des früheren Besitzers des Synagogengrundstücks verkaufen. Sie nutzte das Haus seitdem vorwiegend als Lager- und Abstellraum. Im Gegensatz zum Großteil der Familie wanderten die Schwestern Helene und Emma Terhoch nicht aus Deutschland aus; sie wollten in Drensteinfurt bei ihrer alten, kranken Mutter bleiben. Am 11.12.1941 wurden die Schwestern mit den letzten noch in Drensteinfurt lebenden Juden deportiert und in das KZ Stutthof gebracht, wo sie 1945 den Tod fanden.

Manuskript von Simon, Carolin und Klara, Schülerinnen und Schüler der Teamschule Drensteinfurt. Textgrundlage: Sabine Omland: Zur Geschichte der Juden in Drensteinfurt 1811-1941

Zur Erläuterung: Die Verlegung von Stolpersteinen ist ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das 1992 startete. Die kleinen Gedenksteine erinnern an das Schicksal von Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert, ermordet oder in den Suizid getrieben wurden. Bereits im Dezember 2008 wurden die ersten Stolpersteine in Drensteinfurt (am Südwall 5 und an der Hammer Straße) verlegt. Nur Herta Salomon, später Herschcowitsch, überlebte den Holocaust.

„Die Stolpersteine sind eine dauerhafte und sichtbare Erinnerung an die ehemals in Drensteinfurt lebenden Jüdinnen und Juden. Zugleich sind sie eine Mahnung, dass extremistische Strömungen nie wieder ,salonfähig‘ werden dürfen“, erklärt Synagogenvereins-Vorsitzender Robert Vornholt.