Impulsreferat: Erinnerungskultur neu beleben – das Beispiel Drensteinfurt

Impulsreferat von Robert Vornholt „Erinnerungskultur neu beleben – das Beispiel Drensteinfurt“ anlässlich des Dritten Workshops zur jüdischen Geschichte in Westfalen und Lippe der Historischen Kommission für Westfalen am 19. Oktober in der Alten Post in Drensteinfurt

Im Herbst vergangenen Jahres stand der „Verein zum Erhalt und zur Nutzung der Drensteinfurter Synagoge“ – so der ursprüngliche Name seit den 1990er Jahren – kurz vor dem „Aus“. Alter und Krankheiten waren Ursachen dafür, dass es nur noch einen Rumpfvorstand gab. Ein interner Hilferuf sorgte für die Wende: Gut ein Dutzend Drensteinfurter einte die Überzeugung, dass der Verein – und damit die Idee, den Gedenkort Ehemalige Synagoge am Leben zu erhalten – weitergeführt werden muss. Für wenige Monate übernahm die Stadt den kommissarischen Vorsitz während zeitgleich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Arbeitsgruppe ein Jahresprogramm erstellten. Das war die Grundlage für den Neubeginn – personell und mit inhaltlichen Akzentverschiebungen. Dass die Geschichte der Juden in Drensteinfurt umfassend von Dr. Sabine Omland aufbereitet worden war, erweist sich als sehr nützlich.
Übereinstimmende Auffassung der Aktiven war und ist, dass

  • Die Mitarbeit im Synagogenverein parteipolitisch unabhängig ist. Somit entfallen Profilierungsversuche, Abgrenzungsbemühungen und einseitige politische Ausrichtungen
  • Erinnerungskultur soll möglichst konkret und anschaulich sein. Dazu dienen Informationen zur Geschichte der Gebäude und der Menschen – hier Synagoge und jüdischer Friedhof sowie die Grundlagenforschung von Dr. Sabine Omland
  • Einzelschicksale (Beispiel: Stolpersteine für Emma und Helene Terhoch) lassen das Leben der früheren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nachvollziehbar werden. Dadurch ist eine Identifizierung möglich.
  • Klassische Instrumente der Informationsvermittlung (Mund-zu-Mund-Propaganda, Plakate, Veranstaltungsankündigungen) werden mit neuen Formen der Öffentlichkeitsarbeit (Homepage, Social Media, etwa Facebook für Ältere) kombiniert, um damit ein attraktives Image aufzubauen.
    • Ausgewählte Zielgruppenansprache, etwa Schulklassen, um altersgerechte Informationsvermittlung zu schaffen (konkrete Gewinnung von Adressaten und Informationsvermittlern/Nähe zu Peer-Groups)
  • Kombination von verschiedenen Veranstaltungsformaten – von Ausstellung über Lesung bis Konzert – eröffnet größere Nachfrage
    Gemeinsame Zielvereinbarungen (breites Spektrum an Inhalten und Personen) mit gemeinsamer Ablehnung von rechten Tendenzen sind eine geeignete und akzeptierte Klammer für Aktivitäten. Aktuelle Erinnerungskultur ist nicht mehr durch persönliche Belastungen (Zeitzeugen/Diskussion 1988) geprägt. Das heißt konkret: Der häufig beklagte Verlust von Zeitzeugen, die als authentische Quellen angesehen werden, birgt Chancen, weil damit belastete Betroffene keinen Einfluss mehr auf die aktuellen Diskussionen haben.
    Ohne den Holocaust zu vernachlässigen, lässt sich eine neue Marketingkonzeption umsetzen. Ziele: Neugierde wecken, Einmaligkeit der Synagoge hervorheben

Unser Selbstverständnis:
Die ehemalige Synagoge ist kein Ort für tagesaktuelle Auseinandersetzungen, sondern sie dient dem Austausch, dem Dialog und der Erinnerung – insbesondere an die ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Drensteinfurt. Der Synagogenverein wirkt aktiv an der Deeskalation von gesellschaftlichen Konflikten mit und fördert alle Initiativen, die dazu dienen, dass Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden.

Persönliche Anmerkung zum Abschluss: Wer sich – wie wir alle hier – intensiver mit der Geschichte der Juden beschäftigt, ist in diesen Tagen geradezu verpflichtet, Position für die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland zu beziehen. Es ist beschämend zu erleben, dass jüdisches Leben in Deutschland aktuell noch gefährdeter ist als ohnehin. Wer das Motto „Wehret den Anfängen“ ernst nimmt, muss sich in seinem Umfeld für Frieden, Freiheit und Toleranz einsetzen.