Der Journalist und Historiker Gisbert Strotdrees stellt sein Buch „Jüdisches Landleben – vergessene Welten in Westfalen“ in der ehemaligen Synagoge vor
Drensteinfurt. „Das Dirndl ist eine westfälische Erfindung“, berichtete der Journalist und Historiker Gisbert Strotdrees bei der Vorstellung seines Buches „Jüdisches Landleben – vergessene Welten in Westfalen“ in der ehemaligen Synagoge. Etwa 50 Interessierte erfuhren am Montagabend, dass die Brüder Julius und Moritz Wallach aus Westfalen Erfinder des beliebten bayerischen Trachtenkostüms sind. Vor etwa 120 Jahren erwarb der gebürtige Geseker, zu diesem Zeitpunkt in München lebende Julius Wallach in Tirol ein Kleidungsstück, das er mit seinem Bruder Moritz und der Mitarbeiterin Katharina Graf in der gemeinsam betriebenen Schneiderwerkstatt raffiniert umgestaltete und zum Verkauf anbot. „Damit war das ,Dirndl‘ in der Welt, das es so zuvor nicht gegeben hatte“, erläuterte Strotdrees. Mit etlichen Beispielen zeigte er die Beiträge auf, mit denen Jüdinnen und Juden die Wirtschaft, die Gesellschaft und das Leben weit über Westfalen hinaus bereichert haben.



In Auszügen aus den 23 Kapiteln seines Werkes schilderte Strotdrees nicht nur die Geschichte von Opfern, sondern beschrieb die Juden als Akteure in den Dörfern Westfalens. Trotz der häufig sehr eingeschränkten Arbeits- und Lebenschancen behaupteten sie bis zum Holocaust einen festen Platz in der ländlichen Gesellschaft. „Der Blick auf den ländlichen Raum fehlt sehr häufig“, erläuterte der Historiker. Vielfach liege der Fokus der Wissenschaften auf das Leben der Juden in den Metropolen. Der Autor beschränkt sich in seinem Werk nicht auf das Leben der Juden bis zur fast vollständigen Vernichtung, sondern beschreibt auch den schwierigen Neuanfang der jüdischen Gemeinden in Westfalen nach dem Zweiten Weltkrieg. Beispielhaft dafür schilderte Strotdrees das Leben von Paul Spiegel und seiner Familie: Der Sohn eines Viehhändlers aus Warendorf war erfolgreicher Journalist, Unternehmer und von 2000 bis zu seinem Tod 2006 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Eine von vielen Erfolgsgeschichten von westfälischen Juden, die der Historiker in seinem Buch anschaulich und mit viel Hintergrundwissen aufzeigt.
Synagogenvereins-Vorsitzender Robert Vornholt dankte dem Historiker stellvertretend für das interessierte Publikum für die Ausführungen, die durch eine rege Diskussion bereichert wurde. Strotdrees habe die vielen Facetten jüdischen Lebens auf dem Lande schlaglichtartig beleuchtet, würdigte Vornholt die Ausführungen, die die gut lesbaren und doch wissenschaftlich exakten Beschreibungen im Buch bestätigten.